9 Tage wach by Eric Stehfest und Michael J. Stephan

Autor:Eric Stehfest und Michael J. Stephan
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2017-04-04T16:00:00+00:00

Masken in der Schule, Geschwätz von Wahrhaftigkeit, alle redeten davon, die Studenten, Dozenten, die Putzfrauen. Anja hatte Recht, es war geschwollenes Gerede. Denn Erics Koordinaten waren simpel, ein Jahr lang keinen Alkohol, keine Exzesse, keine Drogen. Auch nicht Schwarzfahren.

Vergiss nicht deine Vorstrafe. Versuch lieber, eine tätowierte Frau dazu zu bringen zu tätowieren. Oder kauf Sexspielzeug für den Hund, denn der gehört auch zur Familie.

4.

Anja fuhr Eric von Gohlis zur Schule und holte ihn gerne ab, fast jeden Tag. Sonst verließ sie die Wohnung kaum, doch das blieb ihre Sache. Ihre Sache auch, dass der Fernseher Tag und Nacht lief, der Stiefhund ins Bett durfte. Sie war Erics erste Zuschauerin. Eine treue Königin leckte die Wunden ihres Königs und winkte, wenn er ins Feld zog.

Eric der Staubsauger nahm alles in sich auf, jedes Wort der Dozenten, selbst die Kommentare schrieb er mit. Er betrat die Hallen, achtete auf den Schall. Bemerkte jede Wiederholung, ließ die anderen sprechen, verwandelte leise seine Sprache. Eric würde Schmetterlinge niemals an den Flügeln berühren, und jetzt: »Kakao für alle!«

Das Ensemble war wenig beeindruckt, hier wurde vor wichtigen Texten Achtung gezeigt, von der Elite, den Hütern der Deutschen Sprache. Die Kommilitonen waren Eric um Meilen voraus. Er blieb allein auf der Ersatzbank, der einsame Nachhilfepilot. Sein Mentor forderte, du bist unkonzentriert, warum verschenkst du deine Möglichkeiten? So kampflos? Ulf Manhenke. Eric merkte sich diesen Namen.

Fortlaufende Tage in Leipzig, willkommen im Vierundzwanzig-Stunden-Angebot. Clubs, die Tag und Nacht geöffnet hatten, die Menschen verschluckten, ganz anders als in Dresden. DJs, die in der Welt herumkamen, die neue Musik mitbrachten. Die riesige Verlockung, wieder einzusteigen. Erics Schwester war überall, doch er hatte sie eingetauscht. Seine Aufmerksamkeit galt ausschließlich dem Studium und Anja.

Mit der Tätowierten konnte er die neue Sprache üben, gut verpackt, hinter Sexspielzeug. Es galt, das Hochdeutsche vom Fuß in den Mund zu verlegen. Leicht würde sie nicht sein, Erics Vierjahresaufgabe. Vier mal vier Jahreszeiten, um das Sächsische nicht in die neue Sprache zu übertragen.

Anja wurde Erics ungezogene Studentin. Das alte Hase-und-Wolf-Spiel, nur eben nackt. Der einzige, dem der neue Ton gefiel, war der Stiefhund. Hielt es für ein Spiel, wenn sich Anja und Eric laut stritten, wütend durch die Wohnung jagten.

Seine Mitstudenten begrüßte Eric mit »Sport frei!« im Bewegungsunterricht. Kein Schlachtruf, eine liebevolle Begrüßung. Ein Mentor verteilte die Surfbretter, erklärte, wie man sich wellenartig entwickeln könne. Eric hatte seine Welle noch nicht entdeckt, lag bäuchlings auf dem Brett und hielt Ausschau. Er konnte nicht mal schwimmen, was also sollte er im Wasser? Schwer zu verstehen, der Deal war doch, dass sie hier Rollen bekamen.

Besonders Herr Professor Doktor Lehmann, Schauspielpsychologe, Spezialgebiet Biomechanik, stellte überraschende Aufgaben. Nase an die Knie, hoch auf die Zehenspitzen, und nun halten. Bis der Körper beginnt, zu vibrieren, ein natürlicher Reflex. Aufbruchstimmung, heulende Studenten kollabierten.

Eric trickste seinen Körper aus, dachte an Sex mit Anja. Mit halber Erektion, weil wie immer der Stiefhund dazwischen plärrte.

Er konnte sein Herz nicht »ausschütten«. Sein einziger Schutz vor der Entblößung blieb Ampel, sein gewesenes Alter Ego. Du blockierst, bist einfach nicht ensemblefähig, Eric.

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